Minimalinvasiv und effizient: grabenloser Wechsel einer Einbaugarnitur

Blick auf die Baustelle in Niederzier.

In Zeiten wachsender Energiepreise und hoher Inflation achten Versorgungsunternehmen besonders auf ihre Budgets. Ein Fixposten ist Wartung und Austausch von Einbaugarnituren, mit denen die Absperrarmaturen von Gas-, Wasser- oder Fernwärmeleitungen bedient werden. Herkömmliche Tiefbaumaßnahmen zur Instandsetzung sind dabei nicht nur zeit- und kostenintensiv, sondern erfordern auch einen hohen Koordinationsaufwand. Die Kettler Utility Communications GmbH hat daher ein Verfahren entwickelt, mit dem Einbaugarnituren direkt durch die Straßenkappe rehabilitiert werden können. 3R hat für Sie eine Baustelle besucht.

In regelmäßigen Überprüfungszyklen kontrolliert die Regionetz GmbH ihre Absperrarmaturen. Beim letzten Durchgang bemerkten die Inspekteure des Netzbetreibers aus der StädteRegion Aachen, dass die Einbaugarnitur einer Armatur in Niederzier bei Jülich feststeckte. „Das ist schon eine systemrelevante Wasserleitung“, sagt Elmar Frenken, Senior Experte Netzbetrieb Gas-/Wasser-Verteilnetze der Regionetz. Er steht an einer Kreuzung in Niederzier, zu seinen Füßen sind vier Straßenkappen in die Straßendecke eingelassen. Unter einer liegt die fehlerhafte Armatur. Mit den Armaturen kann die Versorgungsleitung im Falle eines Lecks oder bei Bauarbeiten abgedreht werden – allerdings nur, wenn ihre Bedienelemente ordnungsgemäß
funktionieren.

Patrick Rosenberger (l.), Sales-Manager bei Kettler, und Elmar
Frenken, Senior Experte Netzbetrieb der Regionetz GmbH.

Digitale Koordination

Frenken hält ein Tablet in der Hand. „Die Zusammenarbeit funktioniert komplett digital“, erklärt er. Nachdem seine Inspekteure den Mangel festgestellt hatten, markierten sie ihn im digitalen Planwerk der Regionetz. Seit 2018 benutzt der Netzbetreiber die Software Lovion. Sie dient als Schnittstelle zwischen Inspekteuren, Koordinatoren und Partnerunternehmen. „Die Mängel werden gesammelt und in einer Liste zusammengestellt. Ich klassifiziere sie später und setze Vermerke hinzu.

Dann entscheide ich, ob wir den Fall an die Firma Kettler weiterleiten können.“ Jede Fallbeschreibung enthält neben relevanten Informationen zu Armatur und Leitung einen Aufgabenstatus. Ist dieser rot, hat Frenken den Auftrag für die KUC freigegeben. Die Kettler Utility Communication GmbH (KUC) aus Dorsten ist auf die Rehabilitation von Einbaugarnituren spezialisiert. Zu ihren Kunden zählen regionale Versorgungsunternehmen, mit

Das Lovion-System zeigt die anstehenden Maßnahmen auf einer
Karte des Netzgebiets.

denen langfristige Rahmenverträge bestehen. Ca. zehn seien es bislang, schätzt Patrick Rosenberger, der bei KUC für Vertrieb und Koordination zuständig ist. Mit der Regionetz kooperiere man seit fünf Jahren. Fünf bis sechs Mal im Jahr fahren seine Monteure in das Netzgebiet.

„Die Jungs arbeiten relativ autark“, erklärt Frenken. „Montagmorgens holen sie ein Tablet mit der Lovion-Software ab. Darin werden die fehlerhaften Armaturen als rote Punkte auf einer Landkarte angezeigt. In welcher Reihenfolge sie abgearbeitet werden, können die Monteure selbst festlegen. Freitags bringen sie das Tablet zurück. Bis dahin haben sie bis zu 15 Maßnahmen abgeschlossen.“ Ermöglicht wird das hohe Tempo der Arbeiten durch die grabenlose Vorgehensweise der KUC. Lärm, Schmutz, Zeit und Kosten bleiben dabei minimal.

Rehabilitation durch die Straßenkappe

In Niederzier wartet man auf die Firma Wertz, die die verkehrsrechtliche Anordnung (VAO) durchführt. Sie sei nur bei jeder fünften Maßnahme notwendig, erläutert Frenken: „Das ist wie eine Kaskade: Der Inspekteur übermittelt mir den Mangel, ich leite ihn als Maßnahme an die KUC weiter und sie organisiert den Dienstleister für die VAO, der wiederum alles mit der Kommune regelt.“ Heute ist die VAO schnell erledigt, der Straßenverkehr wird durch die aufgestellten Schilder nicht beeinträchtigt.

Die geöffnete Straßenkappe gibt den Blick auf die Einbaugarnitur
frei.

Dies sei bei regulären Tiefbaumaßnahmen anders, erklärt Frenken. Gerade in großen Städten werde der Verkehr oft tagelang behindert.Als erstes öffnen die Monteure der KUC die Straßenkappe. Mithilfe einer teleskopierbaren Lanze stampfen sie den Boden auf, der das Schiebergestänge der Einbaugarnitur umschließt. Ein großer Industriestaubsauger entfernt dabei gelockertes Straßenmaterial wie Sand und Kies. Allmählich zeichnet sich ein Ringraum ab, der bis zum Oberteil der Armatur reicht.Für die folgenden Arbeitsschritte hat die KUC eigene Werkzeuge konzipiert. Durch den zuvor erstellten Ringraum wird die defekte Einbaugarnitur demontiert, ohne dabei die darunter liegende Armatur zu beschädigen. Rosenberger und Kollegen sind entspannt: Die Absperrarmatur sitzt nur knapp 1 m tief. „Das Verfahren funktioniert bis 2 m Tiefe“, so Rosenberger. Bei tieferen Armaturen müsse der Einzelfall geprüft werden.

Mit einem Spezialwerkzeug wird die alte Garnitur von ihrer
Verbindung
gelöst.

 

„Unsere tiefste lag 2,60 m unter der Erde.“ „Die ist komplett zu“, kommentiert der Monteur, nachdem er das letzte Stück Einbaugarnitur aus dem Loch gezogen hat. Wasser und Sand waren durch das Schutzrohr ins Innere der Einbaugarnitur gesickert, die Bedienstange war blockiert. „Dabei ist das eine relativ junge Einbaugarnitur, von 1997“, sagt Frenken. Er ist gespannt, ob die Absperrarmatur mit neuen Bedienelementen wieder gängig ist: „Ansonsten müssten wir zu einer Tiefbaumaßnahme greifen und die Armatur austauschen. Das ist aber die Ausnahme.“ Mit einer speziellen Lösestange drückt der Monteur den Bolzen aus dem Verbindungsvierkant. Jetzt kann eine neue Kuppelmuffe auf die Armatur gesteckt werden. Sie dient als Sockel der neuen Einbaugarnitur. Rosenbergers Kollegen haben eine ganze Palette im Lieferwagen – unterschiedliche Materialstärken, alle teleskopierbar und aus Edelstahl. Die Kettler GmbH war ursprünglich auf die Herstellung von Einbaugarnituren fokussiert; das Rehabilitationsverfahren wurde später als Service-Komplettpaket entwickelt und an Kettler Communication Utility GmbH ausgelagert.

Auf diese Kuppelmuffe an der Oberseite der Armatur wird die
neue Einbaugarnitur installiert.

Mithilfe eines extralangen Vario-Betätigungsschlüssels wird nun vorab die Absperrarmatur auf Funktion geprüft. Ein erster Test stimmt Frenken glücklich: „Die Armatur ist in Ordnung, das Problem war das Bedienelement. Der Standardfall. Mit dem herkömmlichen Verfahren hätten wir hierfür die ganze Kreuzung absperren und ein 4 m² großes Loch in Handschachtung graben müssen.“ Nun kann die neue Einbaugarnitur in den Ringraum geführt und auf der Kuppelmuffe montiert werden.

„Wenn wir geh‘n, können Sie dreh‘n“

Im letzten Rehabilitationsschritt gießen die Monteure vorportionierten Flüssigboden in den Ringraum. Er verhindert die Bildung eines Hohlraums, durch den sich die Straßendecke absenken könnte. Heute dauerte der gesamte Prozess knapp anderthalb Stunden, zwei sind die Regel. Die Monteure der KUC machen Fotos, die den Abschluss der Arbeiten dokumentieren.

Neue Einbaugarnitur aus dem Hause Kettler.

Im Lovion-System können sie die Fotos der Maßnahme hinzufügen und diese als „abgeschlossen“ markieren. Normalerweise würde Frenken das Ergebnis nun virtuell kontrollieren und zur Abbuchung weiterleiten: „Das Innovative ist das Gesamtkonzept“, sagt Frenken. „Wir kennen keinen Dienstleister, der so arbeitet. Wenn die fahren, ist alles pico bello erledigt.“ Knapp 400 Rehabilitationen hat die KUC für Regionetz bereits durchgeführt, insgesamt sind es mehrere tausend. Laut Rosenberger arbeitet Kettler daran, den Anwendungsbereich des Verfahrens auf tieferliegende Armaturen und weitere Kappengrößen auszudehnen; derzeit ist eine Rehabilitation zwischen DN 40 und DN 300 möglich. Darüber hinaus findet das Verfahren auch bei größeren Nennweiten sowie verschiedenen Armaturentypen nach technischer Prüfung Anwendung. Um die Zukunft macht er sich keine Sorgen: „In Deutschland gibt es fast 5.000 Versorger, die ihre Einbaugarnituren instand halten müssen. Unser Verfahren zeichnet sich durch Schnelligkeit, Flexibilität und wirtschaftliche Vorteile gegenüber konventionellen Verfahren aus.“

erschienen in: 3R-Rohre, Ausgabe 12/2022 (S.59-61)

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